Konstruktiver Daten-Dialog mit Weitblick

Konstruktiver Daten-Dialog mit Weitblick

Am 20. November lud das iab austria zum „Digital Fairness Dialog“ in das Raiffeisen Forum mit Blick über das nächtliche Wien, um über die Bedeutung von Daten als Wirtschaftsfaktor zu diskutieren und an nachhaltigen Lösungsansätzen für den Standort zu arbeiten. Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky kündigt Eröffnung der KI-Servicestelle an.

Fotos: Katharina Schiffl

Nachdem Staatssekretär Florian Tursky verlautbarte, dass die Mittel für Digitalisierung im kommenden Jahr um 500 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro erhöht und die Investitionen neben dem Breitbandausbau auch in die Verknüpfung der Datenregister der Ministerien fließen werden, begrüßte das interactive advertising bureau austria den Digitalisierungsstaatssekretär am Montagabend zum „Digital Fairness Dialog“, der unter dem Titel „Standortfaktor Daten – Wie wird Österreich zum Digital Frontrunner?“ stand.

„Ohne Daten gibt es keine Digitalisierung. Sie werden oft unter einem schlechten Blickwinkel betrachtet, obwohl sie gut und wichtig sind, um Services zu nutzen“, begrüßt iab-austria-Präsident Markus Plank (Remax) zum „Digital Fairness Dialog“ im Raiffeisen Forum. „Seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung ist die Branche sehr rechtlich geworden. Digital Services Act und Digital Markets Act werden die nächsten Meilensteine in der Europäischen Union, die das iab als größte Interessenvertretung der Digitalwirtschaft begleiten wird.“

Schaffung der digitalen Infrastruktur durch die österreichische Bundesregierung: KI-Servicestelle wird noch heuer starten

Die Aufgabe der Politik sieht Tursky im Aufbau der grundlegenden Infrastruktur. In der Legislaturperiode konnte die österreichische Bundesregierung den Zugang zu Breitband-Internet in Österreich von 13 auf 69 Prozent erhöhen. Bis 2030 sollen weitere blinde Flecken auf der Breitbandlandkarte geschlossen werden. Bis zu 420 Millionen Euro stehen im Budget 2024 für den Breitbandausbau zur Verfügung, bei dem Tursky weiter Gas geben möchte. Den Fokus legt er dabei auf die großen Flächenbundesländer wo die privatwirtschaftlichen Investitionen zu gering ausfallen. Bis 2027 sind insgesamt 1,4 Milliarden Euro im Rahmen der zweiten Breitbandmilliarde vorgesehen.

Der Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft stellt die Europäische Union Datenräume zur Verfügung, die einheitliche Datenstandards für die vernetzte Arbeit schaffen. Die Regeln für diese Standards finden sich im Data Governance Act und Data Act, Die Anonymisierung von Daten ist in allen Bereichen eine Voraussetzung, insbesondere im Gesundheitsbereich. Vernetzte Daten bieten künftig das Fundament für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, für deren Regulierung die Europäische Union einen risikobasierten Ansatz wählt.

„Die KI-Servicestelle in der RTR GmbH Austria wird noch heuer gestartet. Ziel ist es der Wirtschaft Rechtssicherheit im Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu geben“, führt Tursky aus.

Europäische Datenlandschaft

Chefökonom Daniel Knapp (IAB Europa) beziffert das Volumen der europäischen Datenökonomie auf 829 Milliarden Euro. 10,9 Millionen Datenexperten sind derzeit in der EU tätig, nachdem es 2018 noch 5,7 Millionen waren. Nach dem pandemischen Boom der letzten Jahre prognostiziert er weiterhin starke Zuwächse im E-Commerce. Große globale Marken leiden unter sinkenden Umsätzen und Margen bei steigenden Kosten, wodurch die Konzerne im Marketing gefordert sind und bereits rund 50 Prozent ihrer Spendings digital allokieren. Die ehemals großen klassischen Werber investieren in eigene digitale Ökosysteme, um die Profitabilität ihrer Produkte zu erhöhen. Dadurch wird Marketing zum Teil der internen Digitalisierung. Bei den Klein- und Mittelunternehmen in Europa fließen bereits 70 Prozent ihrer Spendings in digitale Werbung. Knapp prophezeit eine langfristige Erosion der Werbeumsätze traditioneller Medien, da sie ausschließlich Reichweiten und Kontakte, jedoch keine messbaren Resultate wie Clicks, Leads oder auch Absatz- und Gewinnzahlen liefern. Traditionelle Medien investieren massiv in digitale Innovation, womit TV zum Teil der Datenökonomie wird.

„Werbetreibende suchen Medien, die hohe Reichweiten, spannende Inhalte und Messbarkeit kombiniert anbieten. Zeitgleich werden große Handelsunternehmen wie Walmart, Tesco oder Sainsbury’s zu Werbeplattformen mit hoch qualitativen First Party Data und attraktivem Content“, analysiert Knapp.

Derzeit entstehe ein fragmentiertes Internet („Splinternet“) hinter den Walled Gardens und technologischen Abgrenzungen großer Anbieter wie Google, Apple, Amazon oder Facebook. Die große Reichweite des offenen Internets stehe nicht mehr zur Verfügung. In der cookiefreien Zukunft brauche es orchestrierte Kollaboration. Durch die Datenschutzgrundverordnung befinde sich Europa bereits in einer Privacy-First-Ära und durch ein gutes Datenfundament im Vorteil gegenüber anderen Märkten.

Menschen und Daten

37 Prozent der Erwerbstätigen mangele es an digitalen Skills und beim E-Learning belege Österreich den schlechten 25. von 32 Plätzen: So lautet zumindest der ernüchternde Befund von Jonas Rashedi (Funke Gruppe). Menschen unterstellt er grundsätzlich irrationales Denken, wodurch Entscheidungen ohne Daten großer Ungenauigkeit, mangelnder Verantwortlichkeit, fehlender Umsicht und Skalierbarkeit unterliegen. Daten müssen interpretierbar, analysierbar, nachvollziehbar, visualisierbar und teilbar sein, um Mehrwert zu bieten und als Entscheidungsgrundlage zu dienen.

Er fordert eine Bildungsinitiative, um Datenkompetenz zu fördern, die sich vom schulischen Bereich bis in Unternehmen zieht.

Standortfrage macht Daten zum Herzensthema

Rund 62 Prozent der österreichischen Unternehmen planen, in Technologien wie Cloud Computing, Data Analytics und Künstliche Intelligenz zu investieren. Weltweit haben bereits 80 Prozent der öffentlichen Organisationen begonnen, Initiativen für kollaborative Datenökosysteme umzusetzen. Die Rahmenbedingungen werden von neun Prozent der Unternehmen derzeit als eher oder sehr schlecht wahrgenommen.

„Daten sind das Herzensthema der Digitalwirtschaft“, leitet Markus Fallenböck (Universität Graz) in die Diskussion ein.

Angelika Sery-Froschauer (Wirtschaftskammer Österreich) fordert in der multiplen Krisensituation mehr Geschwindigkeit, um Digitalisierung in die Breite der Wirtschaft mit ihrer klein- und mittelständischen Struktur zu bringen. Über 420.000 Experten werden künftig im IT- und Telekommunikationsbereich gesucht. Sie verweist darauf, dass Österreich als Exportnation auf die europäische Zusammenarbeit in der digitalen Entwicklung angewiesen ist.

Ana Simic (Dain) ist überzeugt, dass Künstliche Intelligenz künftig die Komplexität reduzieren und das Datenmanagement vereinfachen wird. Kundenorientiertes und -zentriertes Arbeiten setzt für sie Kollaboration voraus. Der Einsatz von Technologie dürfe nie das übergeordnete Ziel sein, sondern konkrete Problemlösungen und die Erreichung von Geschäftszielen. In der Ausbildung bevorzugt Simic die kritische Auseinandersetzung mit Daten und das Hinterfragen, da intuitive Tools selbsterklärend sind.

Als „Rich Data Country“ mit „poor usage“ bezeichnet Hubert Wackerle (IT-Services der Sozialversicherung) Österreich. Der European Health Data Space wird beispielsweise eine Voraussetzung sein, um den reichen Datenschatz durch Governance in Mehrwert zu verwandeln. Daten sind seiner Meinung nach der einzige Rohstoff, der durch das Teilen an Wert gewinnt. Vor dem Hintergrund tausender Cyber-Attacken rät er, Sicherheitsfragen zu Beginn der Entwicklungsarbeit zu berücksichtigen. Im Ausbildungsbereich lobt er die Arbeit der Fachhochschulen, die sehr schnell auf die Anforderungen des Marktes reagieren. Für ein funktionierendes Bildungsangebot braucht es die Präsenz der künftigen Arbeitgeber an den Institutionen.

Plank sieht durch Künstliche Intelligenz und die Geschwindigkeit der Veränderung eine kritische Haltung gegenüber Daten und Technologien in der Gesellschaft. Er warnt davor, wichtige Kollaborationen bei Lippenbekenntnissen zu belassen. Als „Fast Follower“ kann Österreich bestehende Technologien adaptieren und für das eigene digitale Ökosystem gewinnbringend weiterentwickeln.

„Wir brauchen eine digitale Grundbildung in der Schule und dürfen die älteren Semester nicht bei Bildungsinitiativen auslassen, um sie nicht zu früh aus dem Arbeitsmarkt zu verlieren“, fordert Plank.

Die Aufholjagd beginnt!

Das Panel war sich einig: Wir müssen rasch handeln um den Digitalstandort Österreich zukunftsgerecht auszubauen! Durch die Expertise des iab austria kann die Regierung auch auf einen versierten Sparringspartner für Projekte der Datenökonomie zählen.

„Mit den erarbeiteten Inhalten vom ‚Digital Fairness Dialog‘ werden wir über die kommenden Wochen die vereinten Positionen der digitalen Kommunikationsbranche verschriftlichen. Wir haben einen konkreten Auftrag und wir werden handeln!“, bekräftigt Plank abschließend.

Forderungen des iab austria als größte Interessenvertretung der Digitalwirtschaft

Forderungen zu Daten und Technologie

  • Bildung einer Datenökosystem-Taskforce auf Regierungsebene
  • Schaffung sicherer Datenräume und Vernetzung (bis 2026)
  • grenzüberschreitender Datenaustausch („Data Free Flow With Trust“)
  • ressourceneffiziente Datennutzung für Nachhaltigkeit (bis 2028)

Forderungen zu Daten und Wirtschaft

  • Erweiterter Zugang zu staatlichen Datenbeständen (bis 2024)
  • Etablierung von vertrauenswürdigen Datenstandards (bis 2025)
  • Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch interoperable Standards (bis 2026)
  • Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen durch „Security by Design“ (bis 2027)

Forderungen zu Daten und Mensch

  • Etablierung von Datenkompetenz im Lehrplan (bis 2025)
  • Förderung einer verantwortungsbewussten Datenkultur (bis 2026)
  • erleichterter Zugang zu staatlichen Daten für Forschung und Gesundheitswesen (bis 2026)
  • Einführung eines digitalen Führerscheins (bis 2027)

Fotos

Fotos: Katharina Schiffl


Die Veranstaltung wurde von der iab AG Public Affairs organisiert.