Beim dritten iab austria „Digi Talk“ drehte sich am Tag der Arbeitgeber alles um die Zukunft des Büroalltags und des Digitalmarketings. Beim digitalen After-Work-Networking wurde mit Bud von AB InBev angestoßen.
Fast zwei Stunden lang tauschten sich Thomas Meyer (Büro für Interaktion), Barbara Rauchwarter (APA), Millad Shahini (BILLA) und Martin Wolfram (News on Video) beim dritten iab austria „Digi Talk“ live auf Zoom mit Vizepräsidentin Cosima Serban aus, um einen Blick in die Zukunft zu wagen. Fast alle Digitalexperten verbindet der Wunsch nach der Rückkehr in die gewohnte Arbeitswelt mit persönlichem Austausch mit Kollegen. Durchaus kontrovers wird die Entwicklung am Arbeitsmarkt diskutiert, wo sich die Lohnspirale abwärts drehen kann. Die aktuelle Situation durch die COVID-19-Maßnahmen wirkt sich auf die Medienlandschaft sehr unterschiedlich aus: Qualitätsmedien profitieren vom Vertrauen der User, während in sozialen Medien die Preise purzeln, das Umfeld durch die Pandemie-Dominanz nicht für alle Marken geeignet ist. Schon jetzt ist klar, dass Video der Gewinner der herausfordernden Situation ist und in der breiten Bevölkerung angekommen ist. Trotzdem glauben die Diskussionsteilnehmer nicht an einen fundamentalen Wandel in der Arbeitswelt, obwohl die letzten Wochen einen starken Digitalisierungsschub geleistet haben. Zu einem Thema haben natürlich alle Digitalexperten im Video-Talk eine Meinung: Das Video von Unternehmerin Doris Felber lässt niemand kalt.
„Digitalisierung ist das Rückgrat des Alltags geworden: zur Information, Unterhaltung und Kommunikation. Ganz gleich, ob soziale Medien oder Qualitätsmedien; das Werbeumfeld und Verhalten der Menschen haben sich geändert. Daraus können wir jetzt schon Schlüsse für die nahe Zukunft mit ihrer ‚neuen Normalität‘ ziehen“, fasst Serban zusammen.
Sehnsucht nach dem persönlichen Kontakt
„Trotz Physical Distancing haben wir mehr Kontakt miteinander – am Telefon oder in Videochats. Die Digitalisierung macht es uns leichter, uns in der neuen Normalität zurechtzufinden“, meint Serban.
„Der Bildschirm ist kein Ersatz für die reale Interaktion. Zoom-Meetings sind anstrengend und lassen die menschliche Komponente vermissen. Ich hoffe nicht, dass sie uns nach den COVID-19-Maßnahmen erhalten bleiben“, meint Meyer.
Die 560 Mitarbeiter der Austria Presse Agentur (APA) waren den Newsroom gewöhnt, sind durch die Digitalisierung der Nachrichtenagentur jedoch mit technischen Abläufen vertraut. Trotzdem vermisst Rauchwarter das Sinnes-Erlebnis im persönlichen Austausch. Positiv wertet sie den „Zoom-Wochen“ den entspannteren Zugang der Menschen zum Medium Video.
Die ersten zwei Wochen stellten auch für die rund 3.000 Mitarbeiter bei BILLA eine technische Herausforderung dar. Mittlerweile haben sich die Prozesse aber gut eingespielt, berichtet Shahini. Auch er freut sich auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz.
Keine Probleme mit der neuen Arbeitsrealität hat Wolfram. Er kann sich durchaus vorstellen, die flexiblen Arbeitsmodelle künftig fortzuführen.
COVID-19 begünstigt Qualitätsmedien und schafft ein schwieriges Umfeld in sozialen Netzwerken
„Auch nach den COVID-19-Maßnahmen bleibt die richtige Botschaft, zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal das Gesetz erfolgreicher Kommunikation“, stellt Shahini fest.
BILLA hat sein Digitalmarketing in Social-Media-Kanälen intensiviert, die durch die Live-Übertragungen der Pressekonferenzen der Bundesregierung stark frequentiert wurden. BILLA hat als strukturrelevantes Unternehmen verstärkt auf die Information der Konsumenten gesetzt.
Der APA kommt eine zentrale Rolle zu. Teilweise waren nur der ORF und die Nachrichtenagentur zu Pressekonferenzen der Bundesregierung zugelassen und versorgten die landesweiten Medien mit den relevanten Informationen rund um die COVID-19-Pandemie. Aus Marketingsicht freut sich die Kommunikationsverantwortliche über extrem hohe Klick- und Öffnungsraten der Newsletter, die sich auch im Umsatz zeigen.
News on Video hatte gleich zu Beginn der COVID-19-Maßnahmen alle Hände voll zu tun und produzierte das Kinder-Animationsvideo für die Stadt Wien. Video sei durch die intensive Nutzung als Kommunikationsmittel in der breiten Masse angekommen und ziehe in den Alltag an, beobachtet Wolfram. Etablierte Medienmarken würden das Vertrauen der Menschen gewinnen, wobei vor allem dem Bewegtbild ein hoher Stellenwert zukommt. Als herausragendes Beispiel für den Einsatz von Video nennt er das Beispiel von Bäckerin Doris Felber und ihren Umgang mit dem folgenden Shitstorm. Zahlreiche Nachahmer konnten an ihren Erfolg jedoch nicht anschließen, der ihrer Authentizität geschuldet war.
Das Umfeld in sozialen Medien habe sich durch die Dominanz von COVID-19-Themen drastisch geändert. Trotz sehr geringer Schaltpreise war es nicht für alle Marken ratsam, sich in diesem Umfeld zu präsentieren. Beim Büro für Interaktion sucht man verstärkt positiv besetzte Entertainment-Umfelder. Besonders Videos konnten von den Algorithmen der Netzwerke und der längeren Verweildauer der User profitieren. Plötzlich auf gesellschaftliche Relevanz rund um die COVID-19-Berichterstattung zu setzen, findet Meyer „unangenehm anbiedernd“. Aufdringlichen Aktionismus hält er für eine schlechte Strategie, die meist nach hinten losgeht.
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Meyer fürchtet eine Entwicklung hin zu einem Arbeitgebermarkt mit sehr schlechten Konditionen für Mitarbeiter. Dadurch kann es zu einer Abwertung der gesamten Branche kommen, die sich bis hin zur Ausbildung durchzieht. Ins gleiche Horn stößt Wolfram, der die Klein- und Einzelunternehmer auf der Strecke geblieben sieht. Serban rät, die aktuelle Situation für die Aus- und Weiterbildung zu nutzen, weil auch sie eine hohe Dynamik am Arbeitsmarkt für die Zeit nach den COVID-19-Maßnahmen verortet. Meyer ist überzeugt, dass Spezialisierung ein wichtiger Job-Faktor sein wird, weil viele Firmen derzeit die Komplexität des Digitalmarketings erkennen. Eine hohe Nachfrage sieht er beispielsweise im Performance Marketing. In Marketingabteilungen erkennt Rauchwarter hingegen einen Bedarf an Generalisten, die mit den spezialisierten Agenturen interagieren können. Shahini wird künftig vermehrt auf Insourcing setzen, um Ressourcen zu optimieren. Dafür baut er auf eine Mischung aus Generalisten und Spezialisten. Die künftige Rolle von Agenturen sieht Meyer vor allem als Beratungs- und Sparringpartner, wenn operative Prozesse in die Firmen verlagert werden.