Einen Einblick in die österreichische Retail-Media-Landschaft gab am Donnerstagvormittag das iab NETwork „Retail Media – Gekommen, um zu bleiben?“. Die Experten waren sich einig, dass eine enge Zusammenarbeit, die effektive Nutzung von Daten und kreative Ansätze entscheidend sind, um die Vorteile der neuen Werbeform voll auszuschöpfen.
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Als am stärksten wachsendes Segment im digitalen Marketing und im amerikanischen Raum bereits fest etabliert, ist Retail Media mittlerweile nicht mehr nur ein Hype-Thema, sondern eine ernstzunehmende Entwicklung im nationalen sowie internationalen Werbemarkt. Wie sich der Begriff definieren lässt, ob die Werbeform längerfristig als feste Säule der Mediaplanung bestehen kann und welche Vorteile Retail Media-Kampagnen im Vergleich zu traditionellen Marketingstrategien bieten, besprachen am Vormittag des 23. Mai 2024 Experten der digitalen Werbung beim iab NETwork „Retail Media – Gekommen, um zu bleiben?“
Im Anschluss an eine Keynote von Viktoria Zischka, Senior Media Consultant Retail Media bei BILLA AG, folgte eine lebhafte Podiumsdiskussion, bei der Olga Hartinger (Österreichische Post), Florian Leitner (UM PanMedia), Alexandra Mayr (KOTÁNYI) und Sabrina Schmid (Emmi Österreich CAFFÈ LATTE) unter der Moderation von iab-Vorstandsmitglied Christoph Truppe (adverserve) über Best-Practices im Bereich Retail Media diskutierten und sowohl die Marken- als auch Einzelhändler-Perspektive beleuchteten.
„Vor rund eineinhalb Jahren noch unbekannt in Österreich, wird Retail Media immer mehr zum Bestandteil erfolgreichen Marketings. Dem Rechnung trägt auch die jüngst erschienene ‚MOMENTUM Spendingstudie 2023 und Prognose 2024‘ des MOMENTUM Wien, entstanden in Zusammenarbeit mit dem iab austria und dem IAB Europe. Diese verzeichnet einen Anstieg von 18,2 Prozent im Bereich Retail Media!“, erläuterte iab-austria-Geschäftsführerin Ursula Gastinger.
Retail Media – Definition, Akteure, Kunden
Um sich der Thematik von Grund auf anzunähern, definierte Zischka Retail Media einleitend als die digitale Werbefläche, Retail-Daten und In-Store-Möglichkeiten eines Einzelhändlers oder Marktplatzes, die Marken für Werbekampagnen zur Verfügung gestellt werden. Von Off-Site über On-Site bis hin zu In-Store-Umgebungen ergeben sich hierbei eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten – das Ziel ist vorrangig die Steigerung der Reichweite, Interaktion und Transaktion.
Aktiv im Bereich Retail Media sind verschiedenste Akteure, die sich in drei Hauptkategorien einteilen lassen: Retail Media Networks, Media Inventory Aggregators und Third Party Media Sellers. Retail Media Networks sind Netzwerke oder Anbieter von Media-Angeboten, die über Retailer oder Agenturen buchbar sind. Sie nutzen First-Party-Daten und die physische Einzelhandelsumgebung für gezielte Werbung, sowohl In-Store als auch Online. Media Inventory Aggregators sammeln das Inventar von mehreren kleinen Retail-Seiten, verkaufen es im Bundle und übernehmen sowohl die technische Planung, Zielgruppenaktivierung als auch das Reporting der Ergebnisse. Third Party Media Sellers hingegen sind Media-Anbieter, die nicht in Retail Media Networks integriert sind und keinen Zugang zu First-Party-Daten haben. Stattdessen erwerben sie externe Daten von verschiedenen Webseiten, um zielgerichtete Kundenprofile zu erstellen. In Bezug auf Kunden unterscheidet der Markt außerdem zwischen endemischen, im Einzelhandel anbietenden Kunden, und nicht endemischen Kunden, also solchen, die gar nicht auf einem Marktplatz oder in einem Online-Shop verkaufen.
Daten, Kreativität und lokale Partner als Schlüssel zum Erfolg
Die an die Keynote anschließende Podiumsdiskussion leitete Olga Hartinger ein, welche den Point of Sale, die Nutzung von Daten sowie den Omnichannel-Ansatz als die prägnantesten Vorteile von Retail Media benannte. Ebenfalls hob sie die Bedeutung der Zusammenarbeit mit lokalen Partnern hervor. Den Kunden direkt am Point of Sale zu erreichen, sieht auch Alexandra Mayr als einen der größten Gewinne in Bezug auf Retail Media. Pläne von KOTÁNYI, in Zukunft auch bei nicht-endemischen Partnern zu werben, gibt es aktuell noch nicht.
Viktoria Zischka betonte darüber hinaus die Notwendigkeit einer Stärkung des österreichischen Marktes: Performance-Budgets, die derzeit hauptsächlich in Richtung Amazon abwandern, wären ihrer Meinung nach besser in die heimische Wirtschaft investiert. Essenziell für einen reibungslosen Ablauf sei zudem ein kompetentes Team, das Daten lesen, verknüpfen, auswerten und pragmatisch anwenden kann – inklusive Vertrauen, Kreativität und Mut auch zu neuartigen Strategien.
„Unsere Zielsetzung ist klar: Wir wollen unser Retail-Media-Netzwerk weiter ausbauen und effektiver vermarkten“, betonte Hartinger. „Mehr als 80 Prozent der digitalen Werbespendings wandern ins Ausland ab – zumindest ein Teil davon muss in Zukunft auch der österreichischen Wirtschaft zugutekommen“, ergänzte Zischka.
Der Tatsache, dass es Ziel jedes österreichischen Marketers sein sollte, den Wirtschaftsstandort zu stärken, pflichtete auch Florian Leitner bei. Jedoch gab der Experte zu bedenken, dass das Geld am Ende des Tages dorthin fließen würde, wo die beste Performance erzielt wird. Den Grund in der – im Vergleich zu den USA – langsamen Entwicklung von Retail Media in Österreich sieht Leitner in der sensiblen Natur des Themas Datenschutz. Ihm zufolge ginge man im amerikanischen Raum lockerer mit der Thematik um und hat dementsprechend mehr Handlungsspielraum.
Sabrina Schmid erläuterte das Konzept der „Three Moments of Truth“ und betonte, dass der „Zero Moment of Truth“ entscheidend ist, um das Interesse der Kunden zu wecken. Aufgabe von Emmi Österreich CAFFÈ LATTE sei es vorrangig, den Kunden anzusprechen, bevor er im Geschäft steht. Auch ging Schmid auf die Herausforderungen der schnellen Veränderungen im Markt und die Notwendigkeit ein, Budgets zu überdenken.
„Daten sind der Schlüssel zur effektiven Nutzung von Retail Media,“ so Leitner. „Agenturen werden in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen, da sie einen Überblick und Insight über alle Themen bieten können“, ist sich Schmid sicher.
Die Diskussion zeigte deutlich, dass Retail Media viele Chancen bietet, aber auch komplexe Herausforderungen mit sich bringt. Marken profitieren von präzisen Targeting-Möglichkeiten, die auf den umfangreichen Daten basieren, die Einzelhändler über ihre Kunden gesammelt haben. Dies ermöglicht eine personalisierte Ansprache und eine höhere Konversionsrate. Einzelhändler wiederum können durch den Verkauf von Werbeflächen zusätzliche Einnahmequellen erschließen und die Kundenbindung stärken, indem sie relevante Angebote präsentieren. Zu den Herausforderungen gehören ein sicherer Umgang mit Daten und die Notwendigkeit, die Nutzererfahrung nicht zu beeinträchtigen. Als Schlüssel zur Überwindung dieser wurden vor allem technologische Lösungen, wie fortschrittliche Targetingmethoden, und lokale Zusammenarbeit am österreichischen Markt genannt.
Um die Mediengattung Retail Media im Markt kontinuierlich weiterentwickeln und industrieübergreifend mit allen Marktteilnehmern den österreichischen Standort bis mindestens 2026 zu stärken, entwickelt die iab AG Retail Media aktuell eine Landscape für Österreich sowie ein Glossar mit allen relevanten Begriffen rund um Retail Media. Das übergreifende Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Interessengruppen aus dem aufstrebenden Bereich zusammenbringen und gemeinsam Empfehlungen sowie Standards für Händler, Werbetreibende und Agenturen zu entwickeln.
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