Utiq präsentiert im Haus des Meeres am 26. November 2024 Telco-basierte First Party ID. Experten diskutieren über notwendige Technologie und Infrastruktur, um Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Publisher durch anerkannte Standards zu erhöhen.
Österreichische Publisher und Vermarkter stehen nicht nur durch den enormen Abfluss der Spendings zu globalen Plattformen unter Druck, die sich in ihren „walled gardens“ großteils der rigiden europäischen Datenschutzgesetzgebung entziehen. Trotz jahrelanger Diskussionen und versuchter Initiativen fehlt es auch an einheitlichen technologischen Standards, die Werbetreibenden einen einfacheren Zugang zu rot-weiß-rotem Digitalinventar ermöglichen. Auf Einladung der größten Interessenvertretung der Digitalwirtschaft diskutieren am Dienstagabend heimische und internationale Experten im Haus des Meeres über mögliche technologische Szenarien zur Stärkung des Medien- und Digitalstandorts, durch die die Kollaboration zwischen Publishern und Marktteilnehmern gestärkt und Prozesse vereinfacht werden.
„Als größte Interessenvertretung der Digitalwirtschaft möchte das interactive advertising bureau austria einen positiven Impuls für die Entwicklung des Medienstandorts leisten und eine technologie- und faktenbasierte Diskussion anstoßen“, begrüßt iab austria-Präsidentin Rut Morawetz (A1).
Internationale Betrachtung: Werbetreibende fordern Leistungsbeweis
In seiner Keynote „Die Zukunft der Digitalwerbung“ geht IAB-Europe-Chefökonom Daniel Knapp auf Erkenntnisse aus dem AdEx Benchmark Report 2023 des IAB Europe ein und analysiert die internationale Perspektive des Medienmarkts.
„Der Medienmarkt ist in strukturelle Veränderungen der globalen Wirtschaft und die Polykrise eingebettet und bewegt sich nicht im luftleeren Raum“, postuliert Knapp.
Der Ökonom spricht bereits von der „Polykrise 4.0“ seit Ausbruch der Pandemie und erkennt ein gegenseitiges Aufschaukeln einzelner Probleme. Er spricht von einem „Zeitalter fortlaufender Unsicherheit“, das durch neue Mechanismen perspektivisch bewältigt werden muss. Er warnt davor, die rückläufige Inflation und die Stabilität der Finanzmärkte zu entspannt zu sehen. Der digitale Werbemarkt ist seit 2020 von einer starken Volatilität geprägt, auf die Werbetreibende durch rasche Adaptionen reagieren. Während der Pandemie kam es in der Hoffnung auf eine wesentliche Verlagerung der Märkte in den Digitalbereich zu temporären Überinvestitionen. Trotz aller Krisen sieht er eine Erholung der Spendings in mittelbarer Zukunft voraus, die durch Wachstumserfordernisse der Unternehmen bedingt ist. Sinkende Umsätze bei steigenden Kosten zwingen rund um den Globus zur Veränderung des Marketings, welche die Rolle der Kommunikation in die Vertriebsverantwortung verschiebt. Branding und Digital gelten nicht mehr als Antagonismen, wodurch Daten und Targeting eine wesentliche Brücke zum Wachstum darstellen.
Die Erosion im Kerngeschäft der Medienanbieter lässt sich nur durch den Leistungsbeweis kompensieren. Medienanbieter verlegerischer Herkunft profitieren nur unterproportional von Budgetverschiebungen in den Digitalbereich, da sie derzeit kaum in wirtschaftlichen Ergebnissen, sondern nur in tradierten Größen wie Reichweiten messbar sind. Er warnt jedoch vor einer Verwissenschaftlichung des Marketings, die zu einer Datenhörigkeit führt.
„Retail Media und Connected TV leisten durch ihren Datenreichtum den Business Outcome, den Werbetreibende für ihre Wachstumsbedürfnisse benötigen. Die Kombination aus Daten und Aktivierung ist der Schlüssel zu künftigen Erfolgen in der Werbevermarktung. Eine Fragmentierung des nationalen Marktes ist kontraproduktiv: Der Digitalmarkt braucht starke Allianzen“, führt der Ökonom aus.
Dreiklang für die Demokratie
Unter dem Titel „Werbung, Standards und Medienvielfalt: Ein Dreiklang für die Demokratie“ widmet sich Kerstin Niederauer-Kopf (AGF Videoforschung) in ihrer Keynote der deutschen Perspektive für einen vitalen und pluralistischen Medienmarkt – der im Hinblick auf den Bewegtbildmarkt in Deutschland seinen Relevanznachweis durch Standards erbracht hat. Um die Relevanz von Medienangeboten messbar zu machen, braucht es einheitliche Standards. Die Herausforderung in der crossmedialen Messung sieht sie darin, plattform- und gattungsübergreifende Standards nach den Grundsätzen der Transparenz und Neutralität für alle Anbieter im Markt zu etablieren. Gleichzeitig ist es entscheidend, nicht nur technische Geräte, sondern auch Menschen valide zu erfassen, um die Relevanz von Medienangeboten in Zielgruppen präzise nachweisen zu können. Der demokratiepolitische essenzielle Erhalt des Medienpluralismus ist durch eine neutral vergleichbare Messbarkeit aller Marktteilnehmer möglich, in der alle Medien nach gleichen und anerkannten Metriken bewertet werden. Die Zurückhaltung globaler Plattformen und Streaming-Anbieter, an etablierten neutralen Ansätzen teilzunehmen, stellt eine große Herausforderung dar, da dem Markt so Transparenz und Vergleichbarkeit fehlen. Stattdessen kursieren losgelöste Silodaten am Markt, die sich nicht in den Gesamtkontext einordnen lassen.
„Standards fördern auch die mediale Angebotsvielfalt. So kann auch in einer diversifizierten Medienlandschaft die Relevanz der Angebote in unterschiedlichen Zielgruppen nachgewiesen werden. Der Markt braucht einen neutralen, fairen und transparenten Standard, um insbesondere crossmedial die Leistung von Medien ausweisen zu können. Einheitliche Standards sind die Voraussetzung, um fairen Wettbewerb zu fördern, der wiederum Innovationen vorantreibt. Standards schaffen realistische Größenverhältnisse und ermöglichen Medienvielfalt durch Refinanzierung“, ist Niederauer-Kopf überzeugt.
Telco-basierte First Party Data ID kommt nach Österreich
Gemeinsam mit A1 als Launch Partner betritt das in Brüssel (Belgien) beheimatete AdTech-Unternehmen Utiq den österreichischen Markt. In Zusammenarbeit mit Telco-Unternehmen erstellt der Anbieter eine First Party ID für verantwortungsvolle Werbung im digitalen Ökosystem und schafft damit eine Targeting-Lösung für die cookiefreie Zukunft. 87 Prozent der Internet Traffics werden nach gängigen Einschätzungen künftig ohne Cookies erfolgen und bereits jetzt akzeptieren nur 17 Prozent der US-User Drittanbieter-Cookies.
Norman Wagner (Utiq) schließt sich Marielle Garcia (Check My Ads) an. Sie hält fest, dass Marketingfachleute immer noch zu viel Geld für schlechte Daten ausgeben würden, um falsche Personen auf unsicheren Websites zu erreichen, während Nachrichtenredaktionen schließen und Demokratien auf dem Spiel stünden.
Utiq basiert auf Telco-Infrastruktur, wodurch keine Abhängigkeit von Browsern als unkontrollierbare Gatekeeper gegeben ist. Der Consent Hub gibt dem User zentrale Kontrollmöglichkeiten über die Privatsphäre und ermöglicht relevante digitale Marketingerlebnisse. Der Consent Pass verbindet als ID Partner und regelt in Echtzeit die Zustimmung zu deren Marketingaktivitäten. Unabhängig vom Browser erhält der User eine einzelne ID, wodurch die Stabilität im gesamten Ökosystem erhöht wird. Über Martech Pass und AdTech Pass können bestehende First-Party-Daten in der Kampagnenausspielung genutzt werden.
„Bots haben keine Telco-Verträge. Mit Utiq erreichen Werbetreibende echte Menschen und können auf gültigen Consent der User vertrauen. Die stabile ID ermöglicht eine bessere Kampagnenkontrolle durch Werbetreibende und optimiert den Budgeteinsatz“, unterstreicht Wagner.
In Zukunft möchten Utiq und AGF Videoforschung die Zusammenarbeit weiter ausbauen. Die verifizierten Panelisten sollen eine ID erhalten, um vertiefende und geprüfte Strukturdaten zu erhalten, die dem Werbemarkt im Data Clean Room nach einem einheitlichen, vergleichbaren Standard zur Verfügung gestellt werden. Wagner sieht in dieser Datenqualität einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den globalen Plattformen, der Publishern und damit der Medienvielfalt zugutekommt.
Digitale Infrastruktur der Zukunft
Mit Markus Lauscher (Content Performance Group) und Marco Harfmann (A1) diskutieren Niederauer-Kopf und Wagner, welche digitale Infrastruktur es künftig brauchen wird, um den nationalen Medien- und Digitalstandort nachhaltig zukunftsfit und wettbewerbsfähig zu machen. Die Messbarkeit nationaler Medien durch eine stabile ID erhöht die Chance, Budgets von den Digitalgiganten auf den heimischen Markt zurückzuholen. Großes Potenzial sieht Harfmann in der Verknüpfung mit physischen Outlets, in denen nach wie vor der Großteil des Absatzes lukriert wird. Niederauer-Kopf berichtet, dass Werbetreibende auf globalen Plattformen und bei programmatischen Kampagnen zunehmend die Kontrolle über ihre Budgets verlieren und sich die Nachvollziehbarkeit von Maßnehmen reduziert.
„Weitermachen wie bisher, geht nicht mehr“, nimmt Harfmann eine tagespolitische Anleihe. „Effektivität und die emotionale Verantwortung für den österreichischen Medienmarkt sollen für Werbetreibende kein Gegensatz sein. Durch das durchgängige Matching eines Kunden entsteht mehr Transparenz über die Wirkung von Kampagnen und Medien – und damit eine neutral bewertbare Profilierungschance für Medien.“
„Die Medien in Österreich stehen vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere aufgrund der kleinen Marktgröße und der fragmentierten Medienlandschaft beziehungsweise der wachsenden Needs an Ad-Technologien steigt der Ressourcenaufwand und es kommt verglichen mit größeren Märkten zu hohen Gestehungskosten für die erste Impression“, meint Lauscher.